Unternehmer haben zu ihrem Unternehmen oft ein emotionales Verhältnis. Kein Wunder: In einer Unternehmensgeschichte stecken Schweiß und Tränen. Das Lebenswerk einem anderen überlassen? Für viele Selbstständige ist dieser Gedanke nicht leicht. Doch früher oder später muss sich jede Unternehmerin und jeder Unternehmer über die Nachfolge Gedanken machen.
So ging es auch Hans-Georg Herr mit seinem Kalibrierdienst QM Herr – ein Nachfolger war nicht in Sicht. Wie er zu seinem Nachfolger Falko Kreißig kam, erklären die beiden im Gespräch.
Herr: Mit 66 Jahren war es an der Zeit, einen Nachfolger für mein Unternehmen mit acht Mitarbeitern zu finden. Ich wollte es in jüngere Hände übergeben. Meine beiden Söhne hatten sich beruflich anderweitig orientiert, meine Mitarbeiter waren tolle Techniker, aber eben keine Unternehmer. Also sollte ein Inserat in der Wirtschaft im Südwesten dabei helfen.
Kreißig: Es war an der Zeit, eine neue Herausforderung für mich zu finden. Ich war angestellter Vertriebler für Mess- und Prüftechnik, gelernter Industrieelektroniker. Mein eigener Chef zu sein – dieser Gedanke gefiel mir. Auf dem Weg in den Urlaub bei der Lektüre der Wirtschaft im Südwesten stieß ich dann im Februar 2016 auf die Anzeige: „Nachfolger für akkreditiertes Kalibrierlabor gesucht“. Gezielt geforscht hatte ich in dem Moment nicht nach einer solchen Möglichkeit, aber ich bewarb mich.
Herr: Ich wusste gleich, dass dieser Bewerber kein Geschäftemacher war, der nur investieren wollte. Hier hatte jemand Interesse, mein Geschäft in meinem Sinn weiterzuführen und auch meine Mitarbeiter zu übernehmen.
Kreißig: Der erste telefonische Kontakt …
Herr: Ich machte gerade einen Spaziergang …
Kreißig: Danach ging alles sehr schnell … Herr: Wir redeten bald über Details, auch offen über Kunden, Aufträge, Finanzielles. Bei der IHK Südlicher Oberrhein ließen wir uns beraten.
Kreißig: Es herrschte von Anfang an große Sympathie zwischen uns, sonst hätte es wohl keiner von uns gemacht.
Mir war schnell klar, dass ich einen neuen Besitzer gefunden hatte, der ebenso viel Herzblut in das Unternehmen stecken würde, wie ich es getan hatte.
Kreißig: Ich kündigte meine Anstellung und wurde im Juni 2016 Assistent der Geschäftsleitung bei QM Herr. Einen Monat arbeitete ich dann sehr eng an der Seite von Hans-Georg Herr, lernte das Unternehmen besser kennen.
Herr: Es folgte der gemeinsame Gang zu meiner Hausbank …
Kreißig: … und ich gründete eine neue GmbH, die QMK GmbH, die dann zum 1. Juli 2016 den QM-Herr Kalibrierdienst kaufte.
Herr: Zusammen besuchten wir meine Kunden, um den neuen Besitzer vorzustellen.
Kreißig: Das war schon ein großer Schritt für mich: Unternehmer mit 32 Jahren. Aber zumindest musste ich noch keine Familie versorgen.
Herr: Das war bei mir anders. Ich war 49 Jahre, als ich den QM-Herr Kalibrierdienst 1999 gründete, hatte ein Haus und eine Familie. Mein Arbeitgeber, bei dem ich zuletzt als Qualitätssicherungsleiter beschäftigt war, war insolvent. Auf meine Bewerbungen als Angestellter erhielt ich nur Absagen. Zwei Monate war ich arbeitslos.
Kreißig: Aber auch Ihnen kam der Zufall zu Hilfe …
Herr: Ja, das stimmt. Ein Auftraggeber, für den ich eine Messdienstleistung erledigte, riet mir, mich selbstständig zu machen. Und nachdem ich bei meinem letzten Arbeitgeber vier Geschäftsführer in drei Jahren erlebt hatte, dachte ich: „Das kannst du auch!“ Kreißig: Und so war es dann auch.
Herr: Genau. Messdienstleistungen waren anfangs unsere Hauptaufgabe. Dann fing ich an, Betriebe bei der Zertifizierung nach Qualitätsmanagement-Norm EN ISO 9001 zu begleiten. Diese Firmen blieben mir anschließend als Kunden meines Kalibrierdienstes erhalten.
Kreißig: Einige dieser Firmen sind heute meine Kunden. Sie haben den Wechsel mitgemacht.
Herr: Und auch den Umzug.
Kreißig: Ja, seit Oktober 2017 sind wir in größeren Räumen in Schallstadt. Inzwischen haben wir 16 Mitarbeiter, darunter zwölf Vollzeitkräfte, da war ein Umzug dringend erforderlich. Hier haben wir auch weiteren Platz zum Wachsen.
Herr: Und damit lebt das Unternehmen weiter. So, wie ich es mir vorgestellt hatte, als ich die Anzeige in der Wirtschaft im Südwesten aufgab.